Begegnungen mit den Autoren, die sich an der Gemeinschaftslesung im „alles-wird-schön“ am 21. März beteiligten und damit die SuedLese 2017 eröffneten. Heute richte ich meine Fragen an Wilfried Abels:
Du schreibst meistens Geschichten aus dem Bereich Science-Fiction und Fantasy. Wie kam es zu der eher untypischen Geschichte, die du als Beitrag auswähltest? In der ging es um ein Gespräch zwischen Großvater und jugendlichem Enkel über „die gute, alte Zeit“, in der es weniger tolerant zuging als heutzutage.
Hm, bei der Auswahl der Geschichte hatte ich mir weniger Gedanken zu dem Genre gemacht, als was zu dem Thema „Begegnungen“ passt. Als erstes wollte ich tatsächlich eine Geschichte aus dem Bereich Fantasy nehmen, in der es um die Begegnung zwischen einem Werwolf und zwei Hexen geht. Allerdings war diese Geschichte zu lang für diesen Anlass. Bei einer Gemeinschaftslesung dürfen die einzelnen Beiträge selbstverständlich einen gewissen Umfang nicht überschreiten.
Grundsätzlich würde ich mich auch nicht auf ein Genre festlegen lassen. Auch wenn ich meistens im Bereich Science-Fiction und Fantasy unterwegs bin, so habe ich doch auch immer wieder gerne Texte aus der „Real-Welt“ dabei.
Bevorzugst du Kurzgeschichten oder hast du auch ein Faible für Romane?
Ich habe durchaus ein Faible für Romane. Ich schreibe auch schon länger an einem Fantasy-Roman. Nur dauert das halt dem Wesen nach deutlich länger. Deshalb finde ich Kurzgeschichten immer schön, weil man dabei schneller ein Erfolgserlebnis hat.
Du bist nebenbei außerdem in einer Gruppe von Autoren aktiv, die sich im SecondLife, der virtuellen Welt, trifft. Kannst du das kurz für diejenigen erläutern, die davon noch nie gehört haben?
Ok, da muss ich jetzt mal schauen, wie ich das in wenigen Worten erzähle. Eigentlich ist es so ähnlich wie eine Telefonkonferenz mit der visuellen Unterstützung eines 3D-Computerspiels. Es läuft über einen Computer, der eine frei gestaltbare virtuelle Kulisse darstellt. Und jeder Teilnehmer wird über einen sogenannten Avatar, also einem ebenfalls virtuellen Pixelpüppchen, dargestellt. Mit einem Headset kann man sich dann mit anderen Teilnehmern unterhalten, die beliebig über den Erdball verteil sein können. Das ist genau der Reiz. Durch die Simulation hat man das Gefühl, tatsächlich in der Nähe von anderen Personen zu sein, selbst wenn diese in Wirklichkeit hunderte bis tausende von Kilometern entfernt sind. Wenn die Internetverbindung gut ist, vergisst man schnell, dass man gar nicht am selben Ort ist und unterhält sich wie am berühmten Gartenzaun miteinander.
Kirsten Riehl gründete und betreibt zusammen mit ihrem Mann Thorsten Küper die Gruppe „Brennende Buchstaben“. Auf dieser Plattform werden bereits seit etlichen Jahren regelmäßig Lesungen organisiert, bei denen sogar schon bekannte Autoren wie „Arno Strobel“ auftraten.
Ich selbst betreibe dort seit drei Jahren online einen Autorenstammtisch, wo wir uns einmal im Monat zu einem gemütlichen Plauderabend treffen, um über kreatives Schreiben, Selfpublishing und auch allgemein über virtuelle Welten zu plaudern. Wir hatten schon Besucher von Flensburg bis Klagenfurt mit dabei, was man meistens erst später durch Zufall erfährt. Wo jemand herkommt, spielt im Moment des lebhaften Austausches keine Rolle. Wer also etwas für das Thema Cyber-Space übrig hat, kann sich dort live und lebhaft austauschen.
Nochmal zu Science-Fiction: Du hast dich sicherlich schon früher für dieses Genre interessiert. Was hat dich daran am meisten fasziniert?
Ich war schon immer ein Technik-Nerd, und es hat mich interessiert, wie sich Technik entwickelt, und vor allem, wie die Rückkopplung zwischen Technik und Gesellschaft ist. An der Entwicklung des Smartphones kann man beispielsweise gut beobachten, wie einerseits die Technologie von Menschen herbeigewünscht und vorangebracht wird. Andererseits wird man gewahr, wie eine Technologie das menschliche Zusammenleben massiv verändert. Ich persönlich bin nicht kulturpessimistisch veranlagt, sondern habe eher die Möglichkeiten im Blick und finde Veränderung erst einmal spannend. Als Ingenieur sehe ich vor allem die Chance, selber positiv mitzuwirken.
Aber um gestalten zu können, muss man Vorstellungen bekommen, was aus einer Entwicklung vielleicht mal werden kann; im Positiven, wie im Negativen. Und da ist die Science-Fiction, meiner Meinung nach, ein massiv unterschätztes Genre. Ein Autor und Philosoph wie Stanisław Lem hat sich über viele Dinge Gedanken gemacht, Jahrzehnte bevor sie Wirkung entfalteten.
Neben viel Fantasie ist sicherlich auch Sachverstand erforderlich, um sich etwas Plausibles auszudenken. Wie viel technisches Verständnis muss ein Leser mitbringen?
Ich hoffe, dass meine Leser nicht allzu viel Vorbildung brauchen. Ein grundsätzliches naturwissenschaftliches Verständnis setze ich allerdings voraus. Aber ich bemühe mich, in meinen Geschichten den Fokus auf die Handlung und die Charaktere zu legen. Technische Spielereien sind mehr dazu da, um eine spezielle Bühne zu errichten, in der dann die Menschen mit Situationen konfrontiert werden, die in der normalen heutigen Welt eher schwierig wären. Außerdem können technische Spielereien symbolhaft verwendet werden. Ähnlich wie auch in Fabeln Tiere als Symbole für gewisse Eigenschaften verwendet werden. Dann ist die Technik nicht wirklich wichtig, sondern nur, was sie mit der handelnden Person macht. Beispielsweise wählte Kafka in „Die Verwandlung“ einen surrealen Rahmen, um soziale Isolierung zu thematisieren. Im Science-Fiction-Bereich könnte man einen ähnlichen Effekt erzielen, indem man den Protagonisten in einen Cyborg umformt.
Dann ist es für den Leser irrelevant, wie ein Cyborg technisch funktioniert. Das Interessante wäre die Frage, was es mit dem menschlichen Bewusstsein macht, wenn es aus der normalen Gesellschaft herausgerissen wird.
Du arbeitest an der TU HH, bist Ehemann und Vater von drei Kindern. Wann findest du die Muße zum Schreiben?
Ja, das ist eine gute Frage. Ich schreibe immer, wenn mal zwischendurch Zeit und Lust zusammen fallen. Ich bin eigentlich auch ganz gut darin, die Umwelt einfach auszublenden, wenn ich gerade einen Schreibfluss habe. Als ich ein Kind war, neigte ich in der Schule auch schon dazu, ein Träumerle zu sein und in meinen Gedanken abzudriften, egal, was gerade im Unterricht passierte. Jetzt ist das eine ganz gute Fähigkeit, wenn ich versuche zu schreiben, während drei Kinder um mich herum toben und Chaos verbreiten.
Wer berät dich, wenn es um die Glaubwürdigkeit oder Entwicklung einer Geschichte geht, oder machst du das alles mit dir alleine ab?
Da habe ich inzwischen glücklicherweise mehrere Möglichkeiten. Als erstes die Schreibwerkstatt bei alles-wird-schön, in der ich meine Texte immer wieder gerne zur Diskussion stelle und viel gutes Feedback bekomme. Dann habe ich schon häufiger Texte in meiner virtuellen Schreibgruppe in SecondLife zur Diskussion gestellt. Gerade wenn es um Themen wie Science-Fiction und Cyber-Punk geht, sind dort viele gute Diskussionen entstanden.
Aber meine kritischste Diskussionspartnerin ist immer noch meine Frau Martina. Sie selber bezeichnet sich zwar immer als völlig unliterarisch, aber sie ist verdammt gut darin, bei Geschichten aus der Sicht eines Lesers, der „nur“ unterhalten werden will, den Finger in die Wunden zu legen. Das tut zwar meinem Ego manchmal etwas weh, aber den Geschichten gut.
Hast du schon einmal beim Schreiben festgesteckt? Und wenn ja, was hast du dann getan?
Oh ja, natürlich. Das passiert bestimmt jedem Autor hin und wieder. Dann lass ich die Geschichte einfach erst mal liegen und nehme mir eine andere vor. Oder ich mach auch mal was ganz anderes. Ich geh da eigentlich rein nach dem Lustprinzip an das Schreiben ran. Wenn ich Lust habe zu schreiben, dann schreibe ich. Dann läuft das auch. Wenn ich keine Lust habe, weil ich gerade irgendwo feststecke, dann lasse ich eine Geschichte sogar ein halbes bis ganzes Jahr liegen und mach was anders. Ich vertrau darauf, dass irgendwann die Inspiration schon wiederkommt. Bisher bin ich mit dieser Vorgehensweise ganz gut gefahren.
Mit wem würdest du dich gerne mal schriftstellerisch austauschen, wenn es weder zeitliche, räumliche noch sprachliche Grenzen gäbe. Isaac Asimov? Oder welche Autoren/ Persönlichkeiten findest du inspirierend?
Oh, da fallen mir mehrere ein. Den oben genannten Stanisław Lem z. B. hätte ich gerne mal kennengelernt. Isaac Asimov wäre natürlich ebenfalls der Hit. Aber sonst sind für mich auch William Gibson und Tad Williams große Vorbilder.
Wir bedanken uns ganz herzlich für den gedanklichen Ausflug in das Reich deiner Fantasie. An dieser Stelle möchte ich noch ergänzend erwähnen, dass du ebenfalls bodenständig und pragmatisch bist. Ohne deinen Sinn für Realität gäbe es diesen Verlag nicht.
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