Month: Juni 2017

Der Offene Leseabend mit Jan Christoph Nerger

Der “Offene Leseabend” beruht auf einer Grundidee unseres aws-Kollegen Klaus von Hollen. Er öffnet Kerstin Brockmanns Projekt der Schreibwerkstatt bei Alles-wird-schön für weitere interessierte Zuhörer. Ein einziges Mitglied der Schreibwerkstatt liest über einen Abend aus einem oder mehreren seiner Werke. Neben den Mitgliedern der Schreibwerkstatt sind hier auch Gäste von Außen eingeladen. Nach dem Vortrag erfolgt für alle Beteiligten eine Auseinandersetzung mit dem Text.

Das noch nicht abgeschlossene Romanprojekt S7-Irrfahrt übers Zeitgleis unseres Autoren und Teamkollegen Jan Christoph Nerger lockte mit seinem originellen Plot von der “Technogöre” Babs, die 1999 alkoholisiert und mit runtergewürgter Ecstasy-Pille auf den Berliner Bahnhof Zoo zuwankt und in die S-Bahn steigt. Statt nach Hause ins trostlose Marzahn der 1990er zu kommen, beginnt für sie eine Fahrt durchs 20. Jahrhundert in Berlin. Da vermisst sie nicht nur die Plattenbauten, als sie tatsächlich 1918 in Marzahn aussteigt: Mit von der Partie der 68er Student Ludwig, der jazzbegeisterte SA-Gruppenführer Hans und die “kaiserliche” Bordsteinschwalbe Mariechen. Vier Generation erleben gemeinsam als junge Menschen die entscheidenen Stationen des 20. Jahrhunderts und setzen sich auf ihre Art damit auseinander. Nerger hofft, den Roman zum Jahresende bei awsLiteratur veröffentlichen zu können. Bereits erschienen ist sein Roman Club der Sturmvögel, bislang erster Titel unseres Verlags.

Mit guter, von Kerstin Brockmann als zudem erfahrene Journalistin gelobter Pressearbeit, schaffte es die Ankündigung zum Offenen Leseabend am 22.06.2017 bei Alles-wird-schön zum Tagestipp im Harbuger Regionalteil des Hamburger Abendblattes. Vieles deutete darauf hin, dass zahlreiche Gäste dem Aufruf auf vielen Netzwerken zum “Schwarzfahren mit der Berliner S-Bahn” folgen würden.

Leider schien vor allem der Wettergott seinen Anteil daran zu haben, das am Ende nur vier Gäste und drei Schreibwerkstattmitglieder erschienen. Ging am Mittag noch ein apokalyptisches Gewitter über Hamburg nieder, setzte 20 Minuten vor Lesebeginn ein halbstündiger Starkregen ein, der manchen Gast zurückgehalten haben dürfte.

Dennoch überzeugte Nerger mit seinem Vortrag und erhielt viele interessante Anregungen. Wir dürfen auf einen aufegenden und ebenso unterhaltsamen wie anspruchsvollen Roman gespannt sein.

Rückblick in die Vergangenheit

Zu den Autoren, die sich an der Gemeinschaftslesung im „Alles-wird-schön“ am 21. März beteiligten und damit die SuedLese 2017 eröffneten, gehörte auch Hildegard Schaefer. Ihre Geschichte handelte von einer Frau, die sich spontan “Arme Ritter” wünscht und das zu einer außergewöhnlichen Begegnung führt.

Wie kam es zu der Wahl deines Beitrages zur Suedlese?

Vor einiger Zeit hatte ich PC-Probleme und verlor eine Menge gespeicherter Texte. Da ich das als Wink von oben verstand – und sehr schnell tippen kann – begann ich, meine (zum Glück) ausgedruckten Kurzgeschichten zu überarbeiten. Als ich „Kleine Welt“ zur Diskussion stellte, bekam ich Feedback, das wäre doch ein Text zum Thema.

Dein Schreibstil ist lebendig, u. a. durch glaubwürdige Dialoge. Hörst du Stimmen oder denkst du dir solche Szenen aus?

Ich kann mir Szenen zu einem Thema vorstellen: wie Leute miteinander reden, wo das Konfliktpotential liegt, was alles passieren kann. Das lässt bei mir einen Flow im Kopf entstehen, denn es gibt unendliche Möglichkeiten. Zur Ruhe komme ich dann, wenn ich auswähle und lostippe. Dann gibt es kein Zurück mehr. Dann ist die Kuh vom Eis, der Drops gelutscht usw.

Ist bei dir alles frei erfunden oder greifst du auf eigene Erlebnisse zurück?

Wie viele eigene Erlebnisse ich in meine Texte einfließen lasse, ist unterschiedlich. Maximal 5 % sind es. Meistens schüttele ich etwas aus dem Ärmel – das bringt mehr Spaß. Es sei denn, zu dem gestellten Thema fällt mir ein eigenes Erlebnis ein. Dann halte ich mich ziemlich genau an der Wahrheit.

Schreibst du ausschließlich Kurzgeschichten?

Bislang ja. In Wilfrieds Blog habe ich einen Versuch gestartet, aus mehreren Kurzgeschichten einen Roman zu machen. Wenn das Thema schräge Mystik berührt, dann fallen mir viele Episoden dazu ein und ich könnte einen Roman schreiben. Ich werde das auch eines Tages machen…

Gibt es eine Geschichte, auf die du besonders stolz bist?

Da fällt mir „Leonardos Alien“ ein, die hing bald ein Jahr an der Tür zum AWS Treff. Anscheinend als abschreckendes Beispiel, denn seitdem wurde nichts mehr hingehängt. Ich habe die Geschichte geträumt und als Ausnahme von der Regel das meiste übernommen. Zwischen den Zeilen habe ich die Schöpfungsgeschichte verändert nach dem Motto: so könnte es auch gewesen sein, die Sache mit dem Apfel im Paradies…

Welches Buch hat dich als Kind am meisten beeindruckt?

Mit fünf Jahren hatte ich einen längeren Krankenhausaufenthalt. Ich kam nach Hause und konnte lesen. Mein älterer Bruder kaufte sich Comics, Bücher hatten wir keine. Das änderte sich, als ich mich als Leseratte entpuppte. Ich verschlang Geschichten über Tiere wie „Timba“ und „Flucht durchs wilde Kurdistan“ und Groschenhefte jeder Art. Bei den Science Fiction Romanen bin ich bis heute hängengeblieben.

Wann hast du angefangen, selber zu schreiben? Hast du deine ersten Versuche aufbewahrt?

In der Pubertät. Ich war ein Tagträumer und dachte mir die Welt schön. Das nicht so Schöne schrieb ich mir von der Seele. Anschließend zeriss ich es, damit es meinen Eltern nicht in die Hände fiel.

Welche Art Lektüre schätzt du heutzutage am meisten? Welche Elemente sollte sie enthalten?

Science Fiction. Gern etwas Mystik. Sie sollte mich mitnehmen in eine Welt jenseits der Realität.

Gibt es Stoff, der dich reizen würde, aber an den du dich (noch) nicht herantraust?

„Die L-Gruppierung“ weiterzuschreiben: Jede Gruppe paranormaler Jugendlicher bekommt einen Buchstaben in einer „geschützten“ schulischen Einrichtung, erst die mit dem „L“ decken das Verschwinden der anderen Gruppen auf und den Plan, der dahintersteckt. Jemand sagte mir, bei den X-Men wäre es ähnlich, das hat mich gebremst wegen des Plagiatverdachts.

Das stelle ich mir außerordentlich ärgerlich vor: Wenn man sich etwas selber ausgedacht hat und dann feststellen muss, dass parallel noch jemand auf die Idee kam. Ich hoffe sehr, dass dir niemand mehr in die Quere kommt, damit du aus dem Vollen deiner Fantasie schöpfen kannst! Wir freuen uns auf deine nächsten spannenden Geschichten.

 

awsLiteratur auf dem BB E-Book Event 2017

Bildmaterial: Blog BukTom

Wilfried Abels präsentierte und moderierte am 04.06.2017 die letzte Lesung der virtuellen Lesereihe BB E-Book Event 2017 im Second-Life-Portal Brennende Buchstaben. Diese wurde mit dem aws-Autoren Jan Christoph Nerger besetzt. Er bestritt die Lesung mit Auszügen aus seinem Roman Club der Sturmvögel. Die wörtliche Rede der weiblichen und männlichen Protagonisten wurden von Maren Osten und Klaus von Hollen gelesen.

Zuhören kann nur, wer neben einem Internetanschluss auch über ein Headset-Mikro oder einen Lautsprecher verfügt. Des weiteren braucht man die Zugangssoftware der Betreiberfirma LindenLab und ein Zugangskonto zu der Plattform SecondLife, wo man sich einen frei gestaltbaren Avatar (eine computeranimierte Figur) zulegen kann.

Offener Leseabend bei AWS am 22.06.2017

Portrait Christoph Nerger

Jan Christoph Nerger

Jan Christoph Nerger liest aus seinem noch unvollendeten Roman „S7-Irrfahrt übers Zeitgleis“. Folgen Sie der jungen Technogöre Babs, dem jungen Jazzfan und SA-Gruppenführer Hans, dem Studenten Ludwig und der mit allen Wassern gewaschenen Bordsteinschwalbe Mariechen durch Raum und Zeit des 20. Jahrhunderts in Berlin: mit der S-Bahn! Werden Sie Zeuge der Entstehung eines Romans und äußern Sie ihre Meinung!

Jan Christoph Nerger, Jahrgang 1973, ist als gerlernter Erzieher und Bürokaufmann vor allem ein leidenschaftlicher Romanautor. Bei awsLiteratur, dem Verlag des Kulturvereins alles-wird-schön e.V., ist sein Roman „Club der Sturmvögel“ erschienen.

Do, 22.06.2017 um 19:30 Uhr bei alles-wird-schön e.V., Friedrich-Naumann-Str. 27, 21075 Hamburg-Heimfeld (Eintritt frei!)

Auf den Spuren von Gisela Baudy

Begegnungen mit den Autoren, die sich an der Gemeinschaftslesung im „Alles-wird-schön“ am 21. März beteiligten und damit die SuedLese 2017 eröffneten. Heute tausche ich mich mit Gisela Baudy aus, die aus ihrem Gedichtband „Tonspuren – Lyrisches Tagebuch“ vorlas.

Im Rahmen der SuedLese lernte ich den Lyriker Volker Maaßen kennen und schätzen, der bei seinen Lesungen immer eine schwarze Baskenmütze und einen roten Schal trägt. Auch du trugst bei der Lesung eine Kopfbedeckung. War das Zufall oder hat das etwas zu bedeuten?

Das ist Zufall. Denn ich trage solche Mützen auch im Alltag. Obwohl mein Gedichtband bereits Anfang Oktober 2016 erschienen ist, war die Lesung am 21. März 2017 sozusagen meine “Premiere” für eine literarische Lesung. Die “Kopfbedeckung” hatte also auch in dieser Hinsicht noch gar keine Chance, sich zu einem besonderen Symbol oder Markenzeichen zu entwickeln. Schön wäre es allemal, bevor die Mütze nur noch dazu dient, allzu dünne Haare zu verstecken.

Lyrik hat es nicht gerade leicht. Die Nachfrage nach Spannung, Humor und kurzweiliger Unterhaltung ist ungleich größer. Wie viel Mut gehört dazu, sich mit Texten sicht- und hörbar zu machen, die tief in eine Gefühlswelt eintauchen, und einer Sprache zu bedienen, die vielen Menschen schwer zugänglich ist?

Es gehört viel mehr Mut dazu, auszuhalten, wenn sich veröffentlichten Texte nicht “sicht- und hörbar machen”. Wenn jemand das eigene Werk, das ja immer eine Art Ansprache ist, wortlos weglegt oder nicht einmal in die Hand nehmen will. Denn alles, was in der Literatur- und Kunstwelt entsteht, braucht ein Gegenüber, das antwortet. Alles braucht den Fluss und die Berührung, um da und dabei zu sein.

Hast du dich schon immer zu ernsten Themen hingezogen gefühlt?