Author: Susann Dettmann

Obwohl sie nichts wussten IX

Katharina und Hajo stutzten. Der Rektalier zeigte mit einer fordernden Geste auf  den Einstieg.

“Ja, was nun? Ich steig da nicht einfach ein.” Katharina war das mittlerweile zu bunt. Sie wandte sich Hajo zu.

Seitdem Jan sich in dieses seltsam faltige Wesen verwandelt hatte, war sie um Fassung bemüht. Ihr Vertrauen war geschwunden. Auch ihr Zeitgefühl schien ihr Streiche zu spielen.  War es eine lange dunkle Nacht, oder waren es schon mehrere Tage und Nächte, die ihr wie eine Nacht vorkamen? Alles, was sicher schien, war nun fragwürdig. Es war kalt, nass, nebelig und ihr bester Gefährte hatte sich in eine häufig übelriechende Wolke verwandelt.  2017 war total durcheinander geraten. Wem konnte sie noch trauen? Stimmten die Nachrichten? Woran sich orientieren? Aus dem All werden unverständliche Tweets abgesetzt. Machthungrige Aliens und tolle Tollen scheinen sich durch den Orbit zu quaken. Die Signale, die gesendet werden, sind widersprüchlich und lassen keine eindeutigen Regeln erkennen. Despoten regieren, Gewalt allerorten. Ingo ist abgehängt auf dem Raumschiff. Auch ihre kleine Insel war nicht mehr geschützt. Wozu aber jetzt in diese Höhle einsteigen? Sollte das der Beginn von 2018 werden?

“Geht es da vielleicht nach Mittelerde, oder was wird uns dort erwarten?  Hajo, hör mal, bevor ich mich auf weitere Expeditionen einlasse, muss ich einmal in Ruhe nachdenken und sortieren. Ich möchte erst unseren Standort und dazu die Koordinaten bestimmen. Gib mir mal mein Smartphone aus dem Rucksack.  Mit meiner App  müsste das klappen.”

“Okay, ich habe sie. Ich speichere die Koordinaten ab.” Sie tippte mit steifen Fingern auf die Handytastatur. “So ein Mist!  Meine mobilen Daten versagen, es war was mit 6 N und 52 E.  Kannst du dir das merken, damit wir hierher zurückfinden können?  Zudem brauche ich die timeline und eine Ziellinie. Mir scheint das Spiel sonst außer Kontrolle zu geraten. Ich brauche ein Zeichen des Vertrauens. Egal woher.”

Hajo  lehnte sich an einem Dalben, der den Eingang zur Wendeltreppe markierte und klickte mit dem Daumen das Feuerzeug an und aus.  “Katharina, ich fürchte die Zeit haben wir nicht. Die Prile laufen dicht.”

 

Obwohl sie nichts wussten, Teil IV

Sie stapften los. Als Katharina und Hajo den Anleger passierten, hing das Willkommensschild schief im Wind. Knack machte es und brach in der Mitte entzwei.

„Wer will jetzt schon auf unsere Insel kommen?“, fuhr es Katharina durch den Kopf. Zum Glück hatte der Regen nachgelassen.  Sie steuerten geradewegs auf den Deichkrug zu. Katharina vermutete Jan hier. Das Licht der Kneipe – mit den besten Bratheringen ever – sandte wohlige Wärme aus. Jan trank hier gern nach seiner Arbeit im Naturschutzreservat sein „Störtebecker“. Sie wischte mit ihrem Ärmelrevers die  Tropfen von der  Scheibe. Ihre Augen suchten den Raum ab.

„Jan ist da.“ Sein strohig blondes Haar stand zu Berge. „ Hajo warte, ich hole ihn, seinen Peilsender werden wir noch brauchen können.“ Ihre Miene hellte sich für eine Sekunde auf. Hajo starrte in die kalte, sternenlose Nacht, die undurchdringlich vor ihm lag, als sie sich plötzlich wie durch Messers Schneide vor ihm in zwei Hälften teilte. Was war das? Ist das etwa schon der Zugang …?